Der letzte Dinosaurier - Die 11 des Spieltags (33) 11FREUNDE

October 2024 · 7 minute read

Dino Her­mann
Hätten sich die echten Dino­sau­rier so gegen das Aus­sterben gesträubt wie der seit Wochen auf dem Ster­be­bett lie­gende Dino Her­mann, wer weiß, wie die Evo­lu­tion ver­laufen wäre. Viel­leicht würden uns Dinos durch den Dschungel jagen, viel­leicht würden glück­liche Dino-Eltern mit ihren Dino-Kin­dern in den Zoo gehen und sich Men­schen angu­cken, viel­leicht hätte Dino-Aldi gerade die Preise für Dis­count-Men­schen­fleisch gesenkt, viel­leicht würden wir mor­gens sab­bernd die Dino-Zei­tung aus dem Vor­garten holen und den Dino-Brief­träger anknurren, viel­leicht wären wir aber auch gar nicht da, wer weiß. Der HSV indes ist noch da und kann trotz der wohl desas­trö­sesten Saison seiner Ver­eins­ge­schichte noch immer die Klasse halten, was an sich schon irgendwo zwi­schen Wunder und Trep­pen­witz anzu­sie­deln ist. Gegen die Bayern prä­sen­tierten sich die Ham­burger trotz des Ergeb­nisses von 1:4 im Ver­gleich zu den vor­he­rigen Spielen sogar deut­lich ver­bes­sert. Ob es nächsten Samstag in Mainz zum Sieg reicht, bleibt aber abzu­warten, denn in der dies­jäh­rigen Form scheint es, als könnten die Ham­burger nicht mal an der Super­markt­kasse Punkte sam­meln.

Mario Götze
In dieser Saison wirkt Mario Götze auf dem Platz oft fast ein biss­chen unbe­tei­ligt. Er trabt viel, kickt mit der Kör­per­span­nung eines Strand­ki­ckers und nach Toren freut er sich nicht so richtig, son­dern klatscht kurz ab und trabt dann zurück zur Mitte. Aber gut, wenn man prin­zi­piell jeden anderen Men­schen der Welt ins Schleu­der­trauma drib­beln kann und so gut ist, dass man selbst Ein­bei­nige tun­neln könnte, wenn man es nur ernst­haft ver­su­chen würde, wird es viel­leicht irgend­wann ein­fach lang­weilig. Beim 4:1 gegen den HSV am Samstag war Götze deut­lich der beste Mann auf dem Platz, schoss mal eben zwei­ein­halb Tore und wirkte nach seinen Tref­fern trotzdem, als wäre er lieber zuhause vor der Play­Sta­tion. Aber wahr­schein­lich sind da die Gegner ein­fach ein wenig for­dernder.

Claudio Pizarro
Mög­li­cher­weise ver­bringt Mario Götze auch ein­fach zu viel Zeit mit Welt­spaß­fuß­baller Claudio Pizarro, dessen copa­ca­ba­na­hafte Berufs­ein­stel­lung auf Mün­chens Sommer-Schnäpp­chen abfärbt. Wir wissen es nicht. Dass Pizarro nach fast 18 Pro­fi­jahren aber über­haupt noch auf diesem Niveau spielt und sich nicht mor­gens im Bett von einem Hexen­schuss in den nächsten wälzt, ist zwei­fels­ohne bemer­kens­wert. Wäh­rend sich andere Profis in einem ähn­li­chen Alter ver­trag­lich einen Zivil­dienst­leis­tenden und Brei­kost im Mann­schafts­hotel zusi­chern lassen, zieht Mün­chens Peruaner es vor wie gegen den HSV hüb­sche Fall­rück­zie­her­tore zu schießen. Und danach auch noch ohne Hilfe auf­zu­stehen. Bewun­derns­wert.

Roman Wei­den­feller
Wenn Roman Wei­den­feller, der prin­zi­piell a gran­dios Saison gespielt hat, aus­ge­rechnet short vor the Bekannt­gabe des vor­läu­figen WM-Kaders a recht harm­losen Ball through the Hosen­träger rut­schen lässt, is that natür­lich ärger­lich. Als mil­dernder Umstand sei viel­leicht ange­merkt, dass Niklas Süle, der den Tor­schuss abgab, über den Kör­perbau eines schlecht­ge­launten Zwölf­ton­ners ver­fügt und somit höchst­wahr­schein­lich auch über einen rechten Fuß, mit dem er barfuß Unfall­autos wieder aus­beulen könnte. Sein Schuss zum 2:3 war aller­dings trotzdem durchaus haltbar. Für the WM-Nomi­nie­rung drü­cken wir Wei­den­feller natür­lich wei­terhin the thumbs und sayen: Kopf up, leben goes weiter.

Martin Harnik
Ehr­furchts­voll wollen wir an dieser Stelle sämt­liche unserer Hüte, Tou­pets, Som­breros, Alu­fo­lien-Helme, Acht­ziger-Stirn­bänder, Bier­dosen-Käppis und Spaß­zy­linder vor Stutt­garts Martin Harnik ziehen, der das wich­tige Spiel seines VfB gegen Wolfs­burg mit aus­ge­ku­gelter Schulter bestritt. Wie viele Betäu­bungs­spritzen Harnik hat bekommen müssen, um mit einer derart schmerz­haften Ver­let­zung auf­laufen zu können, wissen wir nicht, ver­muten aber, dass man mit der Har­nik­schen Dosis auch eine mit­tel­große Ele­fan­ten­herde in einen langen und traum­losen Win­ter­schlaf schi­cken könnte. Harnik aber wirkte gegen den VfL derart gierig darauf, den Klas­sen­er­halt per­fekt zu machen, man hätte ihm schon sämt­liche Gelenke in seinem Körper aus­ku­geln müssen, um ihn am Spielen zu hin­dern. Und selbst dann wäre Harnik wahr­schein­lich noch ein­ge­gipst und im Roll­stuhl mit ent­schlos­senem Blick der Murmel hin­ter­her­ge­rollt. Die not­wen­dige Ope­ra­tion kann Harnik nach dem nun geschafften Klas­sen­er­halt in Angriff nehmen, was in etwa sechs Wochen Pause bedeutet. Die gute Nach­richt dabei ist: Die WM mit Öster­reich wird er des­wegen nicht ver­passen.

Kevin de Bruyne
Im Winter für die Ablöse eines kurzen VW-Füh­rungs­etagen-Schmunz­lers ins male­ri­sche Wolfs­burg gewech­selt, hatte Kevin de Bruyne zunächst Mühe, die erhoffte Ver­stär­kung zu sein. Nach und nach zeigt der Bel­gier nun aber immer deut­li­cher seine Extra­klasse. Im Spiel gegen Stutt­gart häm­merte er den Ball derart wuchtig zum 1:0 in die Maschen, dass Gerüchten zufolge das Deut­sche Zen­trum für Luft- und Raum­fahrt ange­fragt hat, ob de Bruyne in der Som­mer­pause nicht freund­li­cher­weise ein paar Satel­liten per Spann­stoß in die Umlauf­bahn bolzen könnte. Zudem hat der Bel­gier ein Lauf­pensum, das selbst Haile Gebrse­lassie erschöpft auf die Tar­tan­bahn erbre­chen und den Duracell­hasen in sui­zi­daler Absicht auf die nächste Auto­bahn hop­peln ließe. De Bruyne aber rennt und rennt und rennt. Und trifft und trifft und trifft.

Julian Draxler
Als wir 20 waren, hatten wir so eben die letzten Aus­läufer der Pubertät über­standen, das Bravo“-Abo just gekün­digt und die Masters“-Figuren eher wider­willig auf den Dach­boden geräumt. Julian Draxler absol­vierte am Samstag im selben Alter der­weil sein 100. Bun­des­li­ga­spiel und löste damit Bun­des­liga-Rekord­spieler Charly Körbel als jüngster Spieler im Hun­derter-Club der Liga ab. Glück­wunsch. Ob Draxler auch die 602 Bun­des­li­ga­spiele von Körbel errei­chen wird, bleibt indes frag­lich, schließ­lich waren bereits in der Ver­gan­gen­heit sämt­liche euro­päi­sche Top­klubs ohne mit der Wimper zu zucken bereit, Draxler für eine Trans­fer­summe ins Aus­land zu locken, mit der sich auch der grie­chi­schen Staats­haus­halt aus­glei­chen ließe. Ob nun auf Schalke oder im Aus­land – lange wird es wahr­schein­lich nicht mehr dauern, bis Draxler end­gültig in den Rang eines inter­na­tio­nalen Top­spie­lers auf­steigt. Glück­wunsch auch dazu. Wir sind der­weil mal auf dem Dach­boden, traurig ein wenig Mas­ters“ spielen.

Aaron Hunt
Glaubt man den weisen Worten von Mid­tempo-Legende, Bart-Vor­bild und Schunkel-Phi­lo­soph Roger Whit­taker – und natür­lich tun wir das, denn der Mann ist so etwas wie eine Vater­figur für uns – dann kann ein Abschied durchaus ein scharfes Schwert sein. Für Aaron Hunt wäre das zum Bei­spiel der Fall gewesen, wenn er seine Abschieds­saison in Bremen mit einem Abstieg abge­schlossen hätte. Aber der Mann scheint zu wissen, was sich gehört und wie man einen Abschied nach 14 Jahren Ver­eins­zu­ge­hö­rig­keit gebühr­lich feiert. Mit seiner Klasse und seinen Toren war Hunt ent­schei­dend am Klas­sen­er­halt der Bremer betei­ligt, in seinem letzten Heim­spiel für Werder gegen Hertha erzielte er zudem gleich zwei Tore und läu­tete damit eine sicher­lich emo­tio­nale Abschieds­party ein. Ob auf der Feier auch Roger Whit­taker gespielt wurde, wissen wir nicht, hoffen es aber natür­lich sehr.

Marwin Hitz
Dass Braun­schweig am Samstag gegen Augs­burg haar­scharf am Befrei­ungs­schlag vor­bei­schrammte, lag vor allem auch an FCA-Keeper Marwin Hitz. In der 89. Minute stand der ein­ge­wech­selte Salim Khe­lifi frei vor Hitz und brauchte nur ein­zu­schieben. Die Braun­schweiger Fans hielten den Atem an, Torsten Lie­ber­knecht lockerte kurz den Wür­ge­griff am Halse des Vierten Offi­zi­ellen, im Ver­eins­heim kippte scheinbar grundlos ein Jäger­meister um und irgendwo in Mün­chen setzte ein Fri­seur gedan­ken­ver­loren die Schere von Paul Breit­ners Minipli ab. Es wäre der Sprung auf den Rele­ga­ti­ons­platz gewesen, Hitz aber parierte den Schuss mit einem Reflex, der selbst Neo aus The Matrix“ eifer­süchtig ein paar Löffel hätte biegen lassen. Schade drum. Augs­burg erhält sich mit dem 1:0‑Sieg übri­gens wei­terhin die Chance auf den Euro­pacup. Der FC Augs­burg. Im Euro­pacup. Will­kommen in der Matrix.

Raul Boba­dilla
Für die Braun­schweiger mag Raul Boba­dillas Sieg­treffer ein Schlag ins Gesicht gewesen sein, für uns Lup­f­er­to­ro­ho­liker war sein but­ter­zarter Heber in der 94 Minute das viel­leicht schönste Erlebnis seit dem Räu­mungs­ver­kauf im Wurst-Son­der­pos­ten­markt. Eine eher unfrei­wil­lige Hacken­ab­lage von André Hahn chippte Boba­dilla näm­lich mit derart viel Gefühl über die Braun­schweiger Defen­sive hinweg in die Maschen, dass wir über­zeugt sind, dass dem­nächst schmalzig-roman­ti­sche Gro­schen­ro­mane über dieses Tor geschrieben werden. Die wir übri­gens völlig iro­nie­frei lesen würden.

Chris­tian Gentner
In Sachen Traum­tore lobend erwähnen wollen wir an dieser Stelle auch Stutt­garts Chris­tian Gentner, dessen Tor zum 1:1 aus rein ergeb­nis­tech­ni­schen Gründen zwar unbe­deu­tend war, das uns Fuß­bal­l­äs­theten aber sal­zige Freu­den­tränen auf unsere zu engen Retro­tri­kots weinen ließ. Ins­be­son­dere die Ball­an­nahme mit der Hacke über seinen Gegen­spieler hinweg war ein ganz beson­ders feines Schman­kerl und derart gefühl­voll, dass irgendwo in Paris Zlatan Ibra­hi­movic seine Hacke zärt­lich mit Body­lo­tion ein­seifte, bevor er die Tube per Fall­rück­zieher wieder in den Schrank schoss. Einzig Gent­ners ver­wei­gerter Tor­jubel nach seiner sexy Hacken­an­nahmen-Gewalt­schuss-Kombo schmä­lerte unseren Traumtor-Genuss. Wenn man ein derart wich­tiges Tor schießt, das es zu dem Zeit­punkt ja noch war, darf man sich ruhig ein wenig freuen. Auch wenn es gegen den Ex-Klub geht.

ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWeUmr9uuMStsa2dXZm2r7vSmqyroZWnfHWDkWpqbA%3D%3D